Arrêt du: 17 mai 2014
N° de procédure: 6A.5/2004

Sachverhalt
X besitzt den Führerausweis der Kategorie B seit 1976. In der Datenbank der Eidgenössischen Administrativmassnahmen-Kontrolle (ADMAS) ist er nicht verzeichnet.

Am 11. September 2002 kam X um 20.00 Uhr nach Hause. Weil er aufgewühlt und unruhig war, nahm er ein Beruhigungsmittel ("Demetrin") ein und trank ein grosses Glas Bier. Er wollte sich anschliessend schlafen legen. Seine Freundin rief ihn jedoch an und bat ihn, zu ihr zu kommen. X kam dieser Bitte nach und nahm seinen Personenwagen. Angesichts seiner unsicheren Fahrweise hielt ihn die Kantonspolizei um 21.00 Uhr auf einer Hauptstrasse an. Bei der Kontrolle wies X starken Alkoholmundgeruch auf. Der deshalb durchgeführte Atemlufttest fiel belastend aus und die Polizei nahm ihm den Führerausweis auf der Stelle ab. Der Polizei gegenüber gab X die Einnahme von "Demetrin" eine Stunde vor der Kontrolle, der Ärztin gegenüber zudem die Einnahme von "Zestoretic" und "NovoNorm" an. Die Analyse der Blutprobe ergab, dass X im Zeitpunkt der Kontrolle eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer Blutalkohol-Konzentration zwischen 1,38 und 1,77 Gewichtspromille führte.


Prozessgeschichte
Am 23. September 2002 eröffnete das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt gegenüber X ein Verfahren zur Abklärung der Fahreignung und forderte ihn mit einer Zwischenverfügung dazu auf, sich zur Vereinbarung eines Termins zur Durchführung einer spezialärztlichen Untersuchung mit der verkehrsmedizinischen Abteilung des Instituts für Rechtsmedizin am Kantonsspital in Verbindung zu setzen.

X beantragte, auf die Untersuchung zu verzichten. Er brachte vor, die Medikamente dienten zur Einstellung eines Diabetes und einer Hypertonie sowie der Überwindung von Einschlafschwierigkeiten, die mit der Benützung eines Atemgeräts wegen eines Schlaf-Apnoe-Syndroms verbunden seien. Am 25. Oktober 2002 reichte er Berichte des Fachbereichs Pneumologie des Kantonsspitals vom 15. April und 2. Mai 2001 sowie vom 21. Februar 2002 ein. In der daraufhin angeordneten verkehrsmedizinischen Zeugnisbeurteilung vom 29. November 2002 erachtete der Gutachter eine verkehrsmedizinisch-spezialärztliche Begutachtung als indiziert.

Das verkehrsmedizinische Gutachten vom 31. Januar 2003 kam zum Schluss, die Fahreignung von X könne nicht befürwortet werden, da genügend konkrete Anhaltspunkte bestünden für eine verkehrsrelevante Alkoholmissbrauchsproblematik im Zusammenhang mit einer ungenügend eingestellten Zuckerkrankheit und einem nicht genügend lang stabilisierten Schlaf-Apnoe-Syndrom sowie einem in Verbindung damit stehenden kontraindizierten Benzodiazepin-Gebrauch.

Gestützt auf das verkehrsmedizinische Gutachten entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt X mit Verfügung vom 26. März 2003 den Führerausweis aus medizinischen Gründen und wegen Alkoholabhängigkeit in Anwendung von Art. 14 Abs. 2 lit. b und c in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 Strassenverkehrsgesetz (SVG) auf unbestimmte Zeit, mindestens für die Dauer von zwölf Monaten. Zudem verbot es ihm das Führen von Motorfahrrädern. Die Wiedererteilung des Führerausweises wurde einerseits vom Nachweis einer mindestens zwölfmonatigen, strikte ärztlich kontrollierten und fachlich betreuten Alkoholabstinenz und anderseits von der Fortsetzung der Behandlung des Diabetes und des Schlaf-Apnoe-Syndroms bei engmaschiger Kontrolle des Verlaufs und insbesondere der "Compliance" abhängig gemacht. Zudem empfahl die Behörde, auf die Verordnung potenziell suchterzeugender und die Atmung negativ beeinflussender Benzodiazepine zu verzichten.

Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons hiess einen von X erhobenen Rekurs am 7. Januar 2004 teilweise gut und hob die angefochtene Verfügung vom 26. März 2003 soweit auf, als der Führerausweis aus medizinischen Gründen (Art. 14 Abs. 2 lit. b SVG) auf unbestimmte Zeit entzogen worden war. Hingegen bestätigte es den Sicherungsentzug gestützt auf eine festgestellte Abhängigkeitsproblematik von Alkohol und Benzodiazepinen (Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG).

X focht diesen Entscheid beim Bundesgericht an. Seine Beschwerde wurde gutgeheissen, das Urteil der Verwaltungsrekurskommission des Kantons vom 7. Januar 2004 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts


  • Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die zuständige Behörde in aller Regel verpflichtet, ein gerichtsmedizinisches Gutachten einzuholen, bevor sie den Führerausweis wegen einer Sucht entzieht. Ein Verzicht auf eine spezialärztliche Begutachtung ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt, so namentlich in Fällen offensichtlicher, schwerer Drogenabhängigkeit (BGE 129 II 82 E. 2.2; 127 II 122 E. 3b; 126 III 185 E. 2 und 361 E. 3a; 120 Ib 305 E. 4b, je mit Hinweisen). Ist ein Gutachten einzuholen, hat dieses die persönlichen Verhältnisse unter anderem über Fremdberichte von behandelndem Arzt bzw. Hausarzt, Arbeitgeber und Familienangehörigen abzuklären. Ferner ist die konkrete Fahrt in fahrunfähigem Zustand einlässlich aufzuarbeiten, es ist eine Alkohol- bzw. Drogenanamnese im Sinne einer Erforschung des Konsumverhaltens (Konsumgewohnheiten und Konsummuster) des Betroffenen und seine subjektive Einstellung dazu sowie eine umfassende, eigens vorzunehmende körperliche Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung von alkoholbedingten Haut- und Leberveränderungen, Entzugssymptomen usw. vorzunehmen.
  • Bei allen Suchtvarianten, welche die Fahrfähigkeit bzw. Fahrtüchtigkeit nachteilig beeinflussen, darf auf fehlende Fahreignung geschlossen werden, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, Alkohol-, Drogen- bzw. Medikamentenkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass er im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt (BGE 129 II 82 E. 4.1; 127 II 122 E. 3c; 124 II 559 E. 3d und 4e).
  • Die gleichzeitige Einnahme von Alkohol und Medikamenten kann die Fahrfähigkeit beeinträchtigen. Ob deswegen auch die Fahreignung in Frage gestellt ist, bedarf im Einzelfall einer vertieften verkehrsmedizinischen Prüfung. Diese kann von den Gerichten nicht selbst vorgenommen werden, da ihnen die dafür notwendigen medizinischen Fachkenntnisse abgehen. Die Diagnose der Polytoxikomanie wurde vom Gutachter im konkreten Fall weder gestellt noch als Möglichkeit erwähnt. Der Experte weist in seinem Bericht nur darauf hin, es stelle sich zusätzlich die Frage, ob X von Benzodiazepinen abhängig sei im Sinne einer Problemerweiterung von Alkohol auf Benzodiazepine. Feststellungen über einen chronischen oder mindestens längere Zeit andauernden missbräuchlichen Mischkonsum X‘s von Alkohol und Benzodiazepinen finden sich im Gutachten nicht. Auch hat die Vorinstanz keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen. Für die Beantwortung der Frage nach einer möglichen Polytoxikomanie fehlen damit sowohl entsprechende gutachterliche Abklärungen als auch anderweitige Informationen. Bei dieser Sachlage und der aus ihrer Sicht nicht ausgeräumten erheblichen Zweifel an der Fahreignung des Beschwerdeführers wäre die Vorinstanz verpflichtet gewesen, ein Zusatzgutachten einzuholen und allenfalls selbst weitere Abklärungen zu tätigen. Indem sie dies unterliess und ohne hinreichende Grundlage eine Diagnose stellte, hat sie Bundesrecht verletzt.
  • Auch bei fehlender Sucht bzw. Suchtmittelabhängigkeit ist die Frage nach der Fahreignung nicht zwingend zu bejahen. Fehlende Fahreignung kann auch bei einem (blossen) Missbrauch psychotroper Substanzen anzunehmen sein, der (noch) nicht zu einer Sucht oder Abhängigkeit geführt hat. Dazu bedarf es jedoch einer vertieften medizinischen Untersuchung und Abklärung der Höhe der Gefahr, dass der Betroffene künftig in fahrunfähigem Zustand am motorisierten Strassenverk

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