Arrêt du: 14 décembre 1943
Recueil officiel: BGE 69 II 394

Thema des Urteils
Werkeigentümerhaftung für fehlendes Geländer und Handlauf einer Treppe in einem Mehrfamilienhaus

Sachverhalt
Frau G bewohnte einen Atelierraum im Dachstock (2.Stock) eines Hauses. Sie war Untermieterin der im 1. Stock wohnenden Frau D., die das ganze Haus von der Eigentümerin Z gemietet hatte. Frau G stieg eines Morgens die vom Dachstock in den 1.Stock führende Treppe hinunter, stürzte und durchstiess mit dem linken Arm ein Fenster des Treppenhauses. Sie verletzte sich dabei so schwer, dass sie seither im Gebrauch der linken Hand dauernd fast ganz behindert ist. Die Treppe war zur Zeit des Unfalls ohne Geländer und Handlauf. Frau G hatte einige Monate vor dem Unfall einem Bekannten erlaubt, das Geländer wegzunehmen, um einen Kasten hinauf transportieren zu können. Seither hatte sie immer die geländerlose Treppe benutzt und nicht dafür gesorgt, dass das Geländer wieder angebracht wurde.

Prozessgeschichte
Wegen dieses Unfalls klagte Frau G die Eigentümerin Z gestützt auf Art. 58 Obligationenrecht (OR) ein und forderte von ihr CHF 100'000.– nebst Zins als Ersatz für die Heilungskosten und die dauernde Erwerbsunfähigkeit sowie als Genugtuung.

Die erste Instanz erachtete die Beklagte Z als haftbar. Die Parteien gelangten an die nächsthöhere Instanz; diese verneinte die Haftplicht auf Art. 58 OR. Das schliesslich angerufene Bundesgericht bejahte grundsätzlich das Vorliegen einer Haftung aus Art. 58 OR, gewichtete jedoch das Selbstverschulden von Frau G als derart gravierend, dass die Klage insgesamt abgewiesen wurde.

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts

  • Das Fehlen des Geländers stellt nach den Umständen ohne Zweifel einen Zustand mangelhafter Unterhaltung im Sinne von Art. 58 OR dar. Diesem Mangel kommt für den Hergang des Unfalls eine so überragende Bedeutung zu, dass er als die rechtlich erhebliche Ursache des Schadens anzusehen ist. Die Haftpflicht der beklagten Hauseigentümerin Z ist daher gegeben.
  • Das Bundesgericht betonte, ein Werkeigentümer könne sich nicht mit dem Hinweis befreien, er habe von der eigenmächtigen Wegnahme des Geländers nichts gewusst. Die kantonale Vorinstanz hat aus diesem Grund eine Haftung von Z aus Art. 58 OR noch verneint. Das Bundesgericht sah dies anders unter Hinweis auf den rein kausalen Charakter der Haftung aus Art. 58 OR. Der Werkeigentümer muss demnach für jeden Zustand mangelhafter Unterhaltung einstehen, selbst wenn er den (von Dritten herbeigeführten) Mangel auch bei pflichtgemässer Sorgfalt nicht entdecken und beseitigen konnte.
  • Frau G fiel nach Auffassung des Bundesgerichts nicht einem Werkmangel zum Opfer, mit dem sie nicht rechnen musste und den sie nicht erkennen konnte; der Schaden erwuchs ihr vielmehr aus einem Gefahrenzustand, den sie nicht nur seit langem kannte, sondern sogar selbst hätte beseitigen sollen. Die Verletzung dieser Pflicht wurde Frau als Selbstverschulden angerechnet. Deshalb wurde die Eigentümerin Z letztlich ganz von der Ersatzpflicht befreit.


Folgerungen bfu daraus

  • Dieses Urteil ist aus Präventionssicht interessant, da daraus klar hervorgeht, dass das gänzliche Fehlen eines Geländers und Handlaufs bei einer Treppe nach einem Unfall als Unterhaltsmangel im Sinne von Art. 58 OR eingestuft werden kann.
  • Wenn das Unfallopfer dieses Fehlen nicht selbst verschuldet hätte, hätte das Bundesgericht eine Ersatzpflicht des Werkeigentümers klar bejaht. Auch wenn dieses Urteil sehr alt ist, wurde von kantonalen Gerichten in ähnlichen Fällen auch fünfzig Jahre später darauf Bezug genommen (vgl. ZR 101/2002, S. 281).
  • Das fachgerechte Anbringen von Geländern und Handläufen dient demnach nicht nur der Unfallprävention, sondern auch der Minimierung von Haftungsrisiken.

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