Urteil vom: 2. Juli 2012
Prozessnummer: 1C_23/2012

X.________ fuhr am 29. November 2010, um ca. 10 Uhr, am Steuer eines Personenwagens auf der Winkelriedstrasse in Bern stadtauswärts. Dabei wurde er von einer Patrouille der Berner Kantonspolizei kontrolliert. Diese stellte fest, dass die linke vordere Seitenscheibe, die hinteren Seitenscheiben und beide Aussenspiegel vollständig schneebedeckt waren. Die rechte vordere Seitenscheibe wies nach den polizeilichen Feststellungen zwei runde schneefreie Flächen von je rund 10 cm Durchmesser auf und war im Übrigen ebenfalls schneebedeckt.

Mit Strafmandat vom 22. Dezember 2010 verurteilte das Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland X.________ wegen dieses und eines weiteren Vorfalls (vom 18. September 2010, nicht bzw. nicht gut sichtbares Anbringen der Parkscheibe) zu einer Busse von Fr. 300.--. Am 28. Februar 2011 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern X.________ den Führerausweis) für einen Monat.

Laut Bundesgericht bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass das sichere Führen eines Motorfahrzeugs eine freie Rundumsicht erfordert. Sind nur die Front- und die Heckscheibe frei, das Sichtfeld nach den Seiten hin dagegen eingeschränkt und die Aussenspiegel nicht benutzbar, ist beispielsweise ein sicherer Spurwechsel oder ein Abbiegen nach links oder rechts wegen des grossen, für den Lenker nicht einsehbaren Bereichs ("toter Winkel"), in dem sich beispielsweise ein Velofahrer befinden könnte, auch bei ansonsten ungetrübten Wetter- bzw. Sichtverhältnissen nicht gewährleistet. Wer ein Motorfahrzeug lenkt, dessen Aussenspiegel und Seitenfenster bis auf zwei kleine Gucklöcher vorne rechts schneebedeckt sind, sodass er im Wesentlichen nur durch die Frontscheibe und über den Innenspiegel durch die Heckscheibe sehen kann, nimmt somit eine nicht zu unterschätzende abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit in Kauf. Auch das Verschulden des Beschwerdeführers erscheint nicht als leicht im Sinn von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG, hätte er doch die Scheiben mit einem geringen Zeitaufwand auch mit improvisierten Hilfsmitteln vom Schnee befreien können. Die Einstufung des Vorfalls als mittelschwere Widerhandlung im Sinn von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG ist nicht zu beanstanden (vgl. Urteil 6A.58/2006 vom 9. Oktober 2006). Daraus folgt zwingend, dass dem Beschwerdeführer der Ausweis zumindest für die gesetzliche Mindestdauer von einem Monat zu entziehen ist (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG).

Die Betriebssicherheit ist eine wesentliche Voraussetzung zur Beachtung der Verkehrsregeln. Die Scheiben und die Rückspiegel müssen sauber gehalten werden und eine klare, verzerrungsfreie Durchsicht gestatten. Nach der Praxis des Bundesgerichts wurde in vergleichbaren Fällen mindestens eine mittelschwere Widerhandlung angenommen.


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