​​​​Wer Eigentümer und / oder Betreiber eines öffentlich zugänglichen Gebäudes ist, muss Massnahmen treffen, um das Risiko von Stürzen im und ums Gebäude zu minimieren. Als öffentlich zugängliche Gebäude gelten z.B. Gemeindehäuser, Hotels, Kindergärten, Schulen, Kitas, aber auch bestimmte Mehrfamilienhäuser. Die BFU hat dazu die wichtigsten Tipps aus der Gesetzgebung und Rechtsprechung zusammengestellt.

Planung eines Gebäudes

Klären Sie zuerst sorgfältig ab, welche rechtlichen Vorgaben zu beachten sind. Vorschriften zur Sicherheit und Hindernisfreiheit von Bauten können sich sowohl im Eidgenössischen Recht (z.B. Behindertengleichstellungsgesetzgebung) als auch im kantonalen und kommunalen Baurecht befinden. Vergleichen Sie dazu auch die BFU-Dokumentation Rechtliches zur Sturzprävention im Hochbau.

Die rechtlichen Vorgaben zur Frage "wie baue ich konkret möglichst sicher?", beschränken sich oft auf die Statuierung eines generellen Schutzziels. Deshalb sind ergänzend dazu vorhandene technische Normen (z.B. des sia) von Bedeutung. Diese technischen Normen konkretisieren die durch den Gesetzgeber gesetzten Schutzziele (z.B. das Ziel, dass Personen weder durch die Erstellung noch durch den Betrieb oder Unterhalt einer Baute gefährdet werden dürfen).

Richtlinien und Empfehlungen von Fachorganisationen – wie diejenigen der BFU – kommen dann zum Tragen, wenn auch die relevanten technischen Normen bestimmte Fragen nicht beantworten.

Wenn Sie nicht selbst baufachkundig sind, empfiehlt es sich aus Gründen der Unfallprävention und zur Vermeidung von Rechtsfällen, für die Umsetzung den Rat einer Fachperson einzuholen (z.B. kommunale Bauverwaltung für die relevanten Rechtsgrundlagen, Architekt fürs Technische, BFU für die spezifische Sicht Unfallverhütung).

Unterhalt und Betrieb bestehender Gebäude

Eigentümer und Betreiber eines öffentlich zugänglichen Gebäudes müssen auch nach der Erstellung für die Erhaltung der Sicherheit dieser Baute besorgt sein. Ansonsten riskieren sie, mit rechtlichen Forderungen konfrontiert zu werden.
Holen Sie diesbezüglich im Zweifelsfall periodisch die Einschätzung einer Baufachperson ein.

Gut zu wissen

Ausmass der Sicherheitsanforderungen an Gebäude

Für öffentlich zugängliche Gebäude oder private Gebäude mit Publikumsverkehr (z.B. Haus mit Wohnungen und Arztpraxen) gelten gemäss Rechtsprechung in der Regel höhere Anforderungen an die bauliche Sicherheit als für rein privat genutzte Bauten.

Vergleichen Sie dazu die Zusammenfassung eines entsprechenden Bundesgerichtsurteils (Stolperfallen im WC-Bereich eines Hotels (BGE 117 II 399)).

Selbstverantwortung der Benutzer eines Gebäudes

Der Eigentümer eines Gebäudes darf davon ausgehen, dass insbesondere erwachsene Gebäudebenutzer ein Mindestmass an Vorsicht beachten. Die gänzliche Verhütung von Unfällen ist unerreichbar. Von der Rechtsprechung wird daher Gefahrlosigkeit der Baute, nicht jedoch Narrensicherheit verlangt. Vergleichen Sie dazu die Zusammenfassung eines entsprechenden Bundesgerichtsurteils (Sturz eines Wohnungsmieters vom Balkon seiner Wohnung in den Tod (Urteil 4A_382/2012)).

Zumutbarkeit der Sicherheitsvorkehren

Berücksichtigt wird durch die Gerichte nach einem Sturzunfall unter anderem auch, ob das Anbringen von Sicherheitsvorrichtungen technisch möglich gewesen wäre und die entsprechenden Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Schutzinteresse der Benützer und dem Zweck des Werkes stehen. Dem Eigentümer des Gebäudes werden solche Aufwendungen nicht zugemutet, die in keinem vernünftigen Verhältnis zur Zweckbestimmung des Gebäudes sind. Hierfür ist jeder Einzelfall entscheidend. Aus Gründen der Unfallprävention und da die Kosten für nachträgliche bauliche Anpassungen oft höher sind als bei rechtzeitiger Berücksichtigung in der Planungsphase, ist es umso wichtiger, dass der Eigentümer / Bauherr rechtzeitig den Rat einer Fachperson einholt.​

Erhöhte Sicherheitsmassnahmen bei Kindern als Benutzer des Gebäudes

Es wäre fatal, wenn Erwachsene Kinder bezüglich ihrer motorischen Fähigkeiten unterschätzen und sie bezüglich ihres Gefahrenbewusstseins überschätzen. Daher ist es besonders wichtig, gerade bei der Planung von Bauten, wo auch Kinder Benutzer sein werden, erhöhte Sicherheitsmassnahmen vorzusehen. Vergleichen Sie dazu die Zusammenfassung eines entsprechenden Gerichtsurteils (Gefährliches Treppengeländer im Kindergarten (Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen BZ.2006.100)).​

Bauliche Nachrüstung von Gebäuden

Der Eigentümer kann sich nicht ohne weiteres darauf berufen, dass sein Gebäude seinerzeit nach den Regeln der Baukunst erstellt worden ist und damit noch nach Jahren als mängelfrei zu gelten habe. Er muss auch der Entwicklung der Technik Rechnung tragen und unter Umständen sein Gebäude dem neueren Stand der Sicherheitsmassnahmen anpassen, wenn er keine negativen rechtlichen Folgen nach Unfällen hinnehmen will. Diesbezüglich empfiehlt sich der Beizug einer Fachperson. Vergleichen Sie dazu die weiterführenden Hinweise im Ratgeberbeitrag «Müssen bestehende Bauten dem neusten Stand der Sicherheitsmassnahmen (z.B. neuen Normen) angepasst werden oder gilt ein Bestandesschutz?» und die Zusammenfassung eines entsprechenden Bundesgerichtsurteils «Sturz eines Gastes aus dem bis zum Boden reichenden Fenster eines Hotelzimmers (Urteil 4A_521/2013)».​

Gebäudeeigentümer müssen den sicheren Betrieb eines Gebäudes gewährleisten

Nicht nur die Gebäudeeigentümer stehen in der Pflicht, Sturzunfällen vorzubeugen. Auch Personen, die für den Betrieb des Gebäudes zuständig sind, müssen ihre jeweiligen Aufgaben sorgfältig wahrnehmen. Wichtig sind hier z.B. die Einforderung klarer Pflichtenhefte sowie professionelles Agieren bei erkannten Gefahrenstellen. Gerade für diese Personengruppen (z.B. Hauswarte) sind deshalb entsprechende Aus-/Weiterbildungen eine wichtige Massnahme, um der anspruchsvollen Aufgabe gerecht werden zu können.​

Alle für den Betrieb oder Unterhalt eines Gebäudes verantwortlichen Personen stehen in der Pflicht – nicht nur der Gebäudeeigentümer

Nach der Rechtsprechung können sich nicht nur Bauleute strafbar machen (z.B. durch Verletzung der Regeln der Baukunde), sondern alle in die Erstellung oder den Betrieb eines Gebäudes Involvierten. Dies trifft z.B. auch auf die für den Betrieb eines Schulhauses Verantwortlichen zu, wenn sie Sicherheitsvorschriften, welche die Gefahrenverhütung bezwecken, verletzen, deren Umsetzung unterlassen oder nicht aktiv werden trotz erkannter Gefahren. Deshalb ist es wichtig, dass jeweils rasch und professionell gehandelt wird (signalisieren, melden, beheben je nach Dringlichkeit aufgrund der Schutzzielgefährdung). Vergleichen Sie dazu die Zusammenfassung eines entsprechenden Bundesgerichtsurteils Tödlicher Unfall im Schulhaus nach rückwärts runter Rutschen auf dem Treppenhandlauf (Urteil 1P.305/2004).​

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