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E-Bikes und Geschwindigkeit

Mit E-Bikes wird schneller gefahren als mit konventionellen Velos. Die höhere Geschwindigkeit hat verschiedene Auswirkungen auf die Sicherheit.

Ausgangslage

Die Geschwindigkeit ist ein zentraler Einflussfaktor für Verkehrsunfälle: Je höher das Tempo, desto höher das Unfallrisiko und desto schwerer der Unfall. Auch für E-Bike-Unfälle ist die nicht angepasste Geschwindigkeit eine relevante Ursache. Dabei geht es in der Regel nicht um das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Vielmehr passen die E-Bike-Fahrenden die Geschwindigkeit nicht der Situation an, z. B. den Strassenverhältnissen oder der Linienführung.

Verbreitung

Häufigkeit von E-Bike-Fahrten mit unangepasster Geschwindigkeit

Wie oft E-Bike-Fahrende mit unangepasster Geschwindigkeit unterwegs sind, lässt sich nicht abschätzen. Klar ist aber, dass mit E-Bikes – insbesondere mit schnellen E-Bikes – schneller gefahren wird als mit konventionellen Velos. Dies zeigen verschiedene Studien.

Je nach Studienmethodik wurden unterschiedlich hohe Geschwindigkeiten gemessen. Aus Beobachtungsstudien, die das alltägliche Fahrverhalten im Strassenverkehr über einen bestimmten Zeitraum aufzeichnen, lässt sich folgendes ableiten: Langsame E-Bikes (bis 25 km/h) sind im Durchschnitt ca. 2–4 km/h und schnelle E-Bikes (bis 45 km/h) ca. 9–11 km/h schneller unterwegs als Velos [1–3].

Mit schnellen E-Bikes wird die Geschwindigkeit von 45 km/h, die mit der Tretunterstützung möglich wäre, nur selten erreicht [4,5]. Vermutlich hängt dies damit zusammen, dass die Verkehrssituation oftmals keine höhere Geschwindigkeit zulässt. Generell variieren die gemessenen Geschwindigkeiten von E-Bikes und Velos je nach Ortslage, situativen Gegebenheiten und Nutzergruppe: Beispielsweise wird innerorts langsamer gefahren als ausserorts [2,6], was mit vermehrten Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden zusammenhängen dürfte [1,2,7]. Auch Alter und Geschlecht haben einen Einfluss auf die Fahrgeschwindigkeit [1,2]: Im Durchschnitt fahren Männer und jüngere Lenkende etwas schneller.

Gefährlichkeit

Die Fahrgeschwindigkeit hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssicherheit:

  • Höhere Geschwindigkeiten führen zu einem längeren Anhalteweg (Reaktions- und Bremsweg). Die verfügbare Zeit, um auf unerwartete Situationen reagieren zu können, wird verkürzt.  
  • Unfälle können bei höheren Geschwindigkeiten schwerwiegendere Folgen haben ​[2]​. In einigen Forschungsarbeiten finde sich Hinweise auf eine höhere Verletzungsschwere bei E-Bike-Fahrenden im Vergleich zu Velofahrenden​ [8–10]​. Andere Studien konnten diesen Effekt hingegen nicht nachweisen ​[11]​. Eine BFU-Analyse mit Daten aus der Schweiz stellte nur bei Lenkenden von schnellen E-Bikes eine erhöhte Verletzungsschwere fest – und dies auch nur bei Alleinunfällen ​[8]​. 
  • Weil sie schneller fahren aber langsamer in die Pedale treten, unterschätzen andere Verkehrsteilnehmende die Geschwindigkeit von E-Bike-Fahrenden noch stärker als jene der Velofahrenden ​[12–14]​. 
  • Die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Velos und E-Bikes führen zu einer zunehmenden Geschwindigkeitsheterogenität. Dies hat mehr Überholvorgänge zur Folge – was vor allem für schnelle E-Bikes bereits nachgewiesen wurde ​[4,15,16]​. Überholvorgänge erhöhen das Konflikt- und Kollisionsrisiko mit anderen Zweirädern stark ​[11,17]​, insbesondere auf schmalen Wegen mit hoher Verkehrsdichte ​[2]​. Aus Studien zum motorisierten Verkehr ist zudem bekannt, dass grössere Geschwindigkeitsunterschiede mit höheren Unfallraten und schwereren Verletzungen assoziiert sind ​[2]​. 

Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass E-Bike-Fahrende häufiger kritische Situationen oder (Beinahe-)Unfälle erleben als Velofahrende. Darauf weisen auch einige Studien hin: Eine BFU-Befragung ergab, dass Lenkende von schnellen E-Bikes häufiger Beinahe-Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden erleben als Lenkende von langsamen E-Bikes ​[16]​. Zwei Studien fanden anhand von Fahrverhaltensbeobachtungen heraus, dass Lenkende von E-Bikes ​[3]​ bzw. von schnellen E-Bikes ​[2]​ eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für abruptes Bremsen aufweisen. In einer weiteren Studie konnte dies hingegen nicht bestätigt werden, es zeigte sich aber ein bemerkenswerter Unterschied: An Kreuzungen war das Risiko der E-Bike-Fahrenden, in einen Konflikt zu geraten, doppelt so hoch wie jenes der Velofahrenden. Dabei fanden sich Hinweise, dass Motorfahrzeuglenkende E-Bike-Fahrenden seltener den Vortritt gewähren als Velofahrenden ​[18]​. Die fahrleistungsbezogene Unfallanalyse zeigt zudem, dass E-Bike-Fahrende pro gefahrenen Kilometer ein höheres Risiko für schwere Unfälle aufweisen als Lenkende von konventionellen Velos (Verweis auf Kapitel Unfallgeschehen). 

Unfallrelevanz

Nicht angepasste Geschwindigkeit ist eine relevante Ursache für schwere E-Bike-Unfälle. Die Unfallstatistik gibt bei insgesamt 12 % aller schweren Personenschäden von E-Bike-Fahrenden die Geschwindigkeit als (Mit-)Ursache des Unfalls an (Ø 2018-2022). Dabei gibt es keinen Unterscheid zwischen Lenkenden von schnellen E-Bikes und langsamen E-Bikes.  

Sind die E-Bike-Fahrenden Hauptverursacher des Unfalls, wird dieser in 10 % der Fälle auf nicht angepasste Geschwindigkeit zurückgeführt. Bei der Mehrzahl der E-Bike-Unfälle mit Geschwindigkeit als (Mit-)Ursache handelt es sich um Alleinunfälle. 

Die Ursachenzuordnung in der Unfallstatistik erfolgt durch die Polizei. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Häufigkeit der Ursache Geschwindigkeit bei E-Bike-Unfällen in der Statistik etwas unterschätzt wird. Zum einen wird sie bei Unfällen mit klassischen Velos und E-Bikes fast gleich häufig registriert (11 % vs. 12 %), was angesichts der höheren E-Bike-Geschwindigkeiten etwas überrascht. Andererseits fanden Studien zu Alleinunfällen von E-Bike-Fahrenden, bei 18–37 % dieser Unfälle Hinweise auf eine nicht angepasste Geschwindigkeit als Unfall(mit)ursache ​[16,19]​. 

Hinweise

Inhalt folgt.

Quellen

[1] Schleinitz K, Petzoldt T, Franke-Bartholdt L et al. The German naturalistic cycling study – Comparing cycling speed of riders of different e-bikes and conventional bicycles. Saf Sci. 2017; 92: 290–297. 

​[2] Twisk D, Stelling A, van Gent P et al. Speed characteristics of speed pedelecs, pedelecs and conventional bicycles in naturalistic urban and rural traffic conditions. Accid Anal Prev. 2021; 150(2): 105940. DOI:10.1016/j.aap.2020.105940. 

​[3] Huertas-Leyva P, Dozza M, Baldanzini N. Investigating cycling kinematics and braking maneuvers in the real world: E-bikes make cyclists move faster, brake harder, and experience new conflicts. Transp Res Part F Traffic Psychol Behav. 2018; 54: 211–222. DOI:10.1016/j.trf.2018.02.008. 

​[4] Renard A, Fleury J, Junod L et al. Vélos électriques – effets sur le système de transports. Bern; 2017. 

​[5] Herteleer B, van den Steen N, Vanhaverbeke L, Cappelle J. Analysis of initial speed pedelec usage for commuting purposes in Flanders. Transp Res Interdiscip Perspect. 2022; 14(3): 100589. DOI:10.1016/j.trip.2022.100589. 

​[6] Zuser V, Breuer C, Blass P et al. S-Pedelecs als Alternative für Arbeitswege?: Ergebnisse eines aktuellen Forschungsprojekts. ZVR. 2020;(07/08): 270–277. 

​[7] Vlakveld WP, Twisk D, Christoph M et al. Speed choice and mental workload of elderly cyclists on e-bikes in simple and complex traffic situations: A field experiment. Accid Anal Prev. 2015; 74: 97–106. DOI:10.1016/j.aap.2014.10.018. 

​[8] Hertach P, Uhr A. Sicherheit von E-Bikes im Strassenverkehr: Handlungsbedarf und -möglichkeiten. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2022. DOI:10.13100/bfu.2.464.01.2022. 

​[9] Berk T, Halvachizadeh S, Backup J et al. Increased injury severity and hospitalization rates following crashes with e-bikes versus conventional bicycles: an observational cohort study from a regional level II trauma center in Switzerland. Patient Saf Surg. 2022; 16(1): 11. DOI:10.1186/s13037-022-00318-9. 

​[10] Lefarth TL, Poos H, Juhra C et al. Pedelec-Fahrer werden bei Unfällen schwerer verletzt als konventionelle Radfahrer. Der Unfallchirurg. 2021; 124(12): 1000–1006. DOI:10.1007/s00113-021-00976-x. 

​[11] SWOV Institute for Road Safety Research. Pedelecs and speed pedelecs. The Hague: SWOV; 2022. SWOV Fact sheet. 

​[12] Scaramuzza G, Uhr A, Niemann S. E-Bikes im Strassenverkehr – Sicherheitsanalyse. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. BFU-Report 72. 

​[13] Schleinitz K, Petzoldt T, Krems JF, Gehlert T. The influence of speed, cyclists’ age, pedaling frequency, and observer age on observers’ time to arrival judgments of approaching bicycles and e-bikes. Accid Anal Prev. 2016; 92: 113–121. DOI:10.1016/j.aap.2016.03.020. 

​[14] Petzoldt T, Schleinitz K, Krems JF, Gehlert T. Drivers’ gap acceptance in front of approaching bicycles – Effects of bicycle speed and bicycle type. Saf Sci. 2017; 92: 283–289. DOI:10.1016/j.ssci.2015.07.021. 

​[15] Alrutz D, Bohle W, Hacke U et al. Potenzielle Einflüsse von Pedelecs auf die Verkehrssicherheit: Forschungsarbeit der Bundesanstalt für Strassenwesen – Schlussbericht. Hannover/Darmstadt: Planungsgemeinschaft Verkehr PSV-Alrutz; Institut für Wohnen und Umwelt IWU; 2015. 

​[16] Uhr A, Hertach P. Verkehrssicherheit von E-Bikes mit Schwerpunkt Alleinunfälle. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2017. BFU-Report 75. DOI:10.13100/bfu.2.340.01. 

​[17] Vlakveld W, Mons C, Kamphuis K et al. Traffic conflicts involving speed-pedelecs (fast electric bicycles): A naturalistic riding study. Accid Anal Prev. 2021; 158(2): 106201. DOI:10.1016/j.aap.2021.106201. 

​[18] Petzoldt T, Schleinitz K, Heilmann S, Gehlert T. Traffic conflicts and their contextual factors when riding conventional vs. electric bicycles. Transp Res Part F Traffic Psychol Behav. 2017; 46(Part B): 477–490. 

​[19] Panwinkler T, Holz-Rau C. Causes of pedelec (pedal electric cycle) single accidents and their influence on injury severity. Accid Anal Prev. 2021; 154: 106082. DOI:10.1016/j.aap.2021.106082.​ 

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