Damit automatisierte Fahrfunktionen einwandfrei funktionieren, sind sie auf bestimmte Bedingungen angewiesen. Unerwartete Wetterumschwünge, unklare Verkehrssituationen oder komplexer Mischverkehr können die Systeme überfordern. In solchen Momenten ist es entscheidend, dass Fahrzeuglenkende angemessen reagieren. Kommt es dennoch zu einem Unfall, müssen die Ursachen klar nachvollziehbar sein; insbesondere, wenn Personen verletzt werden.
Eine unerlässliche Grundlage für eine fundierte Unfallanalyse sind Fahrzeugdaten. Die BFU spricht sich deshalb dafür aus, in der Schweiz eine unabhängige Unfallanalysestelle zu schaffen. Sie hat die Aufgabe, unmittelbar nach einem Unfall die relevanten Fahrzeugdaten auszulesen und treuhänderisch zu sichern – sodass sie nicht nachträglich verändert werden können. Für die Rekonstruktion des Unfallhergangs bleiben weiterhin die bestehenden Instanzen zuständig, etwa
die Polizei.
Datenanalyse und Mustererkennung
Die Unfallanalysestelle soll als Daten- und Wissenszentrum fungieren, das auch Gutachterinnen und Gutachtern neutral aufbereitete Informationen zur Verfügung stellt. Sie erstellt Standards für die Erfassung und Aufbereitung der Daten, damit Informationen verschiedener Hersteller vergleichbar werden.
Durch die gleichzeitige Auswertung mehrerer Unfallereignisse lassen sich wiederkehrende fahrzeugtechnische Fehlfunktionen und sicherheitsrelevante Muster erkennen. Auf dieser Basis kann die Unfallanalysestelle frühzeitig Empfehlungen aussprechen – etwa gegenüber Behörden, Herstellern oder Ausbildungsinstitutionen. So entsteht sukzessive ein Kontroll- und Frühwarnsystem für die automatisierte Mobilität.
Unabhängig und objektiv
Die Unfallanalysestelle muss unabhängig von den Herstellern arbeiten und über einen gesicherten Zugang zu allen relevanten Fahrzeugdaten verfügen. Nur so lassen sich Unfälle vollständig und objektiv aufklären, ohne dass es zu Interessenkonflikten kommt. Denkbar wäre beispielsweise eine Erweiterung der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST), die bislang nicht für Strassenverkehrsunfälle zuständig ist. Auch die BFU könnte sich zur Verfügung stellen, indem sie als Fachpartnerin den Aufbau der Unfallanalysestelle unterstützt oder diesen bei Bedarf im Auftrag des Bundes übernimmt.
In anderen Ländern bereits realisiert
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass andere Länder bereits vergleichbare Untersuchungsstellen geschaffen haben. In den USA analysiert das National Transportation Safety Board (NTSB) Unfälle mit automatisierten Systemen, in Grossbritannien entsteht mit der Road Safety Investigation Branch (RSIB) eine vergleichbare Institution, und in Frankreich untersucht das Bureau d’enquêtes sur les accidents de transport terrestre (BEA-TT) bereits Strassen- und Bahnverkehrsunfälle. Die Schweiz kann auf diesen Erfahrungen aufbauen und mit einer eigenen unabhängigen Stelle die Entwicklungen zu einer sicheren automatisierten Mobilität mitgestalten.
Jetzt die Umsetzung sicherstellen
Das automatisierte Fahren eröffnet grosse Chancen für die Verkehrssicherheit – aber nur, wenn Risiken transparent gemacht und systematisch untersucht werden. Eine unabhängige Unfallanalysestelle ist der Schlüssel dazu. Sie stellt sicher, dass aus jedem Unfall gelernt wird, Schwachstellen in den Systemen erkannt und technische wie menschliche Fehler verstanden werden. Die rechtlichen Grundlagen für eine unabhängige Unfallanalysestelle bestehen bereits auf Stufe Strassenverkehrsgesetz. Wichtig ist nun, dass die Politik auch für die Umsetzung auf Verordnungsstufe sorgt und dass anschliessend die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden.
Um welche Systeme geht es?
Fahrzeuge lassen sich in solche mit Fahrerassistenzsystemen und solche mit Automatisierungssystemen unterscheiden. Fahrerassistenzsysteme unterstützen Fahrzeuglenkende auf unterschiedliche Art und Weise: Sicherheitssysteme informieren, warnen oder greifen in gefährlichen Situationen gezielt ein. Komfortsysteme helfen dauerhaft beim Lenken, Bremsen und/oder Beschleunigen. Die Hände bleiben immer am Lenkrad.
Fahrzeuge mit Automatisierungssystem übernehmen die Fahrzeugsteuerung (zumindest phasenweise) komplett, die Person hinter dem Steuer kann die Hände vom Lenkrad nehmen. Sie muss jedoch bereit sein, jederzeit und unter allen Umständen die Kontrolle wieder zu übernehmen.
Die geplante Unfallanalysestelle soll in erster Linie Unfälle mit Fahrzeugen mit Automatisierungssystemen untersuchen. Der Bund könnte den Auftrag jedoch weiter fassen und auch Unfälle von Fahrzeugen mit Fahrerassistenzsystemen einbeziehen; insbesondere dort, wo systembedingte Fehlreaktionen vermutet werden oder wo unklar ist, ob das System zum Unfallzeitpunkt aktiv war.