Urteil vom: 12. März 2007
Prozessnummer: U 611/06

Der 24-jährige F zog sich im April 2005 bei einem Ballschuss während eines Fussballspiels eine Muskelzerrung am rechten Oberschenkel zu. Die Kosten für die ärztliche Behandlung wollte die Unfallversicherung nicht übernehmen. Sie begründete dies in ihrem Einspracheentscheid damit, es liege weder ein Unfall noch eine unfallähnliche Körperschädigung vor, da ein Ballschuss beim Fussballspiel zu den üblichen Bewegungen gehöre. Etwas Ausserordentliches habe sich nicht ereignet und es werde auch kein spezieller Kraftaufwand geltend gemacht. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom kantonal zuständigen Gericht im Dezember 2006 gutgeheissen und die Unfallversicherung dazu verpflichtet, für die Kosten der Heilbehandlung aufzukommen. Das Bundesgericht bestätigte diesen Entscheid und wies die dagegen von der Unfallversicherung erhobene Beschwerde aus folgenden Gründen ab:

Gemäss Akten war F bei der Schussabgabe weder gestürzt noch mit jemandem zusammengestossen. Er machte auch keine unkoordinierte Bewegung, so dass sein Bewegungsablauf durch ein Stolpern oder Ausgleiten gestört worden wäre. Da zu Recht nicht bestritten wurde, dass damit das für einen Unfall im Rechtssinn erforderliche Merkmal eines ungewöhnlichen äusseren Faktors nicht erfüllt war, prüfte das Bundesgericht, ob F beim Fussballspiel eine unfallähnliche Körperschädigung erlitten hatte.

Art. 9 Abs. 2 UVV (Verordnung über die Unfallversicherung) nennt acht Körperschädigungen, darunter Muskelrisse und Muskelzerrungen, die auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung den Unfällen gleichgestellt sind, sofern sie nicht eindeutig auf eine Erkrankung oder eine Degeneration zurückzuführen sind. Die Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors wird somit nicht vorausgesetzt. Nach der Rechtsprechung ist jedoch ein ausserhalb des Körpers liegender, objektiv feststellbarer, sinnfälliger – eben unfallähnlicher – Vorfall erforderlich. Der äussere Faktor wird bejaht, wenn er ein gesteigertes Schädigungspotenzial aufweist und es sich um ein plötzliches, d. h. einmaliges Ereignis handelt.

Dem Fussballspiel wohne ein gesteigertes Gefährdungspotenzial inne, indem viele nicht alltägliche Bewegungen (z. B. abruptes Beschleunigen und Stoppen, seit- und rückwärts Laufen, Drehen, Schiessen des Balls usw.) ausgeführt würden, hielt das Bundesgericht fest. Dadurch würde der Körper mannigfach belastet. Auch für einen geübten Fussballspieler sei Fussballspielen keine alltägliche Belastung wie z. B. das blosse Bewegen im Raum. Die von F erlittene Muskelzerrung sei auf eine heftige körpereigene Bewegung (d. h. den Ballschuss, also das objektiv feststellbare, sinnfällige Ereignis) während des Ausübens einer erhöht risikogeneigten Sportart zurückzuführen. Das gesteigerte Gefährdungspotenzial habe sich somit realisiert. Da es sich um eine Körperschädigung nach Art. 9 Abs. 2 lit. e UVV handle, müsse die Unfallversicherung für die Folgen der Muskelzerrung aufkommen.

(Prozess-Nr. des Bundesgerichts U 611/06)

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