Urteil vom: 15. November 2023
Prozessnummer: 6B_817/2013

Sachverhalt
Aufgrund starken Regens stand ein Reitplatz unter Wasser. X, Ehrenpräsident des Reitclubs, entfernte dort das Schachtgitter eines Überlaufschachts, um zu kontrollieren, ob der Schacht nicht verstopft war. In der Folge liess X einen Holzpfosten schräg im Schacht stecken, um auf den offenen Schacht hinzuweisen. Ferner legte er noch einen weissen Klotz auf das danebenliegende Schachtgitter. Danach entfernte er sich. Am selben Nachmittag spazierten zwei Mütter mit ihren beiden Kleinkindern auf dem Damm neben dem Reitplatz. Plötzlich fiel der vierjährige A in den Überlaufschacht und wurde vom Wassersog durch das Abflussrohr gesogen, ehe er im Serviceschacht mit seinem Fahrradhelm an Treppensprossen hängenblieb. Erst nach zwanzig Minuten konnte er gerettet werden. Dadurch erlitt A eine schwere Hirnschädigung.

Prozessgeschichte
Erstinstanzlich wurde X der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Das Kantonsgericht wies die von X erhobene Berufung ab und bestätigte den Entscheid der Vorinstanz. Auch das Bundesgericht wies die Beschwerde von X ab.

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts

  • Die Vorsicht, zu der man verpflichtet ist, wird durch die konkreten Umstände und die persönlichen Verhältnisse bestimmt, weil naturgemäss nicht alle tatsächlichen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können.
  • Grundvoraussetzung für eine Sorgfaltspflichtverletzung und mithin für die Fahrlässigkeitshaftung bildet die Vorhersehbarkeit des Unfalls. Gemäss Bundesgericht ist sich X der von ihm durch die Entfernung des Schachtdeckels geschaffenen Gefahr bewusst gewesen, dass eine dort vorbeikommende Person in den unter Wasser stehenden Schacht fallen kann. Ebenfalls habe er damit rechnen müssen, dass an der fraglichen Stelle Kinder vorbeilaufen und sich insbesondere kleine Kinder bei einem solchen Sturz auch schwer verletzen könnten. Der Reitplatz befand sich in der Nähe zu einer von Fussgängern häufig frequentierten Strasse samt Trottoir sowie einer Parkanlage mit Spielplatz.
  • Weitere Voraussetzung der Fahrlässigkeitshaftung ist, dass der Unfall vermeidbar war. Dabei wird ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht und geprüft, ob der Unfall bzw. die Körperverletzung bei pflichtgemässem Verhalten des Täters ausgeblieben wäre. Für die Zurechnung des Erfolgs genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die Ursache der Körperverletzung bildete. Was X in diesem Zusammenhang vorgebracht hat, war Folgendes: er behauptete, die Körperverletzung sei unvermeidbar gewesen. X setzte sich nicht mit den diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz auseinander, wonach A nicht in den unter Wasser stehenden Schacht gefallen wäre und sich nicht schwer verletzt hätte, wenn X den Schachtdeckel pflichtgemäss nicht entfernt oder zumindest geeignete Sicherungsmassnahmen, z.B. in der Form einer deutlichen Absperrung, ergriffen hätte.
  • Folgerungen BFU daraus
    Weder die Gesetzgebung noch diese ergänzenden Vollzugshilfen sind in der Lage, alles, was passieren kann, zum vornherein zu reglementieren. Deshalb ist es umso wichtiger, generell für die Gefahren im Be-reich der Nichtberufsunfälle zu sensibilisieren und auch aus der Rechtsprechung entsprechende Lehren für die Prävention zu ziehen. Dies tut die BFU auch zum Schutz der Kinder.

    Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

    Die Volltexte der Entscheide finden Sie auf der Website des Bundesgerichts:

    • Entscheide aus der amtlichen Sammlung finden Sie hier: Nach der Nummer des Entscheides suchen, die Sie bei unserer Zusammenfassung unter «Amtliche Sammlung» finden – z. B. 129 II 82.
    • Weitere Entscheide finden Sie hier: Nach der Prozessnummer suchen – z.B. 2A.249/2000.

    Die Volltextsuche kantonaler Entscheide finden Sie auf den kantonalen Websites.

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