Urteil vom: 21. März 2022
Prozessnummer: 4A_450/20121


Sachverhalt

Der Kläger B hielt sich am 21. Juli 2013 zusammen mit Freunden im Strandbad A. auf. Dieses wird von der Gemeinde A betrieben und bietet Badegästen gegen Entgelt Zugang zur Anlage. Um ca. 17:15 wollte er (erneut) ins Wasser und benutzte hierzu den Badesteg. Unbestrittenermassen verbot das Benutzungsreglement des Strandbads A Sprünge vom Badesteg in den See nicht und es gab weder entsprechende Verbotsschilder noch eine rote Linie oder sonstige Bodenmarkierungen auf der rechten Seite des Badestegs die Sprünge vom Badesteg in den See verboten hätten, während auf der linken Seite des Stegs ein Geländer montiert war. Der Kläger, der mit den örtlichen Gegebenhei-ten des Strandbads A gut vertraut war, sprang mit einigen Schritten Anlauf kopfvoran vom Stegende, rechts neben der in den See führenden Metalltreppe, in Richtung Seemitte. Er stiess mit dem Kopf am Seeboden an und zog sich dadurch eine so schwere Verletzung der Halswirbelsäule zu, dass er seit-her vom fünften Halswirbel abwärts gelähmt ist. Zum Unfallzeitpunkt befand sich der Badesteg rund 60 cm über der Wasseroberfläche, die Wassertiefe bei Stegende betrug rund 1.10 m. Damals war es im Strandbad zudem üblich, dass Badegäste vom Badesteg auf verschiedene Arten, namentlich auch kopfvoran, in den See sprangen. Interventionen vom Bademeister gab es bei solchen Sprüngen nicht.

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hält in seinem Urteil fest, dass ein Werkmangel nicht nur vorliegt, wenn das Werk bei bestimmungsgemässem Gebrauch nicht genügend Sicherheit bietet, sondern auch bei vorhersehbarer Fehlnutzung. Das heisst, Warn- und Instruktionspflichten sind trotz eines bestimmungswidrigen Gebrauchs des Werks zumutbar. Nämlich dann, wenn dieser augenfällig ist und zu schweren Schädigungen führen kann. Das Bundesgericht hält ebenfalls fest, dass einem Erwachsenen, der kopfvoran in den See springt, ohne sich zu vergewissern, ob dies gefahrlos möglich ist, ein schweres Selbstverschulden zuzurechnen ist, und kürzt den Schadenersatzanspruch um 40 %.

Folgerungen für die Prävention

Das Urteil zeigt, dass viele Gefahren unterschätzen. Ist ein Risiko zudem offensichtlich muss der Werkeigentümer alles Zumutbare vornehmen, um die Sicherheit zu gewährleisten, ausnahmsweise auch bei einem bestimmungswidrigen Gebrauch der Anlage. An für die Öffentlichkeit bestimmte Anlagen sind grundsätzlich erhöhte Sicherheitsanforderung zu stellen, insbesondere wenn der angesprochene Benutzerkreis Kinder umfasst. Diese Pflicht trifft nicht nur den Werkeigentümer einer Anlage, sondern auch einen mit diesem nicht identischen Betreiber.

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

Die Volltexte der Entscheide finden Sie auf der Website des Bundesgerichts:

  • Entscheide aus der amtlichen Sammlung finden Sie hier: Nach der Nummer des Entscheides suchen, die Sie bei unserer Zusammenfassung unter «Amtliche Sammlung» finden – z. B. 129 II 82.
  • Weitere Entscheide finden Sie hier: Nach der Prozessnummer suchen – z.B. 2A.249/2000.

Die Volltextsuche kantonaler Entscheide finden Sie auf den kantonalen Websites.

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