Urteil vom: 7. Februar 1992
Amtliche Sammlung: BGE 118 IV 84

Sachverhalt
S. fuhr mit seinem Personenwagen mit einer Geschwindigkeit von 50-55 km/h auf die Neuhof-Kreuzung in Lenzburg zu. Als er sich in einer Entfernung von mindestens 55 m zum Haltebalken befand, schaltete die Lichtsignalanlage von grün auf gelb. Seine Anhaltestrecke betrug 26,4 m. Dennoch fuhr er mit unverminderter Geschwindigkeit weiter und erreichte die Kreuzung, als die Anlage bereits auf rot umgeschaltet hatte. Auf der Kreuzung stiess er mit einem anderen Personenwagen zusammen; es entstand leichter Sachschaden.

Prozessgeschichte
Das Obergericht verurteilte S. wegen Missachten des Rotlichts zu einer Busse von Fr. 80.-. Es stufte den Vorfall als einfache Verkehrsregelverletzung ein. Die Staatsanwaltschaft gelangte daraufhin ans Bundesgericht und beantragte eine Bestrafung als grobe Verkehrsregelverletzung. Das Bundesgericht hiess diese Beschwerde gut.

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts

  • Wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt, wird nach Art. 90 Ziff. 2 SVG mit Gefängnis oder mit Busse bestraft. Demgegenüber ist die einfache Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG nur mit Haft oder Busse bedroht. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Strafbestimmungen wirkt sich nicht nur auf die Strafdrohung aus, sondern kann auch Konsequenzen in Bezug auf den Führerausweisentzug und dessen Dauer gemäss Art. 16 und 17 SVG haben.
  • Der Beschwerdegegner hat unstrittig den objektiven Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG erfüllt, indem er bei Rotlicht eine Kreuzung befuhr, ohne die Gewissheit zu haben, dass sie verkehrsfrei sei. Auch die subjektiven Voraussetzungen von Art. 90 Ziff. 2 SVG sind erfüllt. Wer auf eine Distanz von 55 m und bei einer Geschwindigkeit von 50-55 km/h beim Umschalten von grün auf gelb nicht anhält, obwohl dies bei einer Anhaltestrecke von 26,4 m ohne weiteres möglich wäre, der verletzt vorsätzlich eine elementare Verkehrsregel. Gemäss Art. 68 Abs. 4 lit. a SSV bedeutet gelbes Licht, wenn es auf das grüne Licht folgt: Halt für Fahrzeuge, die noch vor der Verzweigung halten können. Dieses Gebot gilt uneingeschränkt. Es handelt sich dabei um eine grundlegende Vorschrift für die Sicherheit im Strassenverkehr. Wer sich über sie hinwegsetzt, gefährdet Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer. Wer trotz ausreichender Möglichkeit, während der Gelbphase anzuhalten, mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfährt, der handelt rücksichtslos und grobfahrlässig im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG, und zwar auch wenn er hofft, noch vor dem Umschalten auf rot an der Ampel vorbeizukommen. Denn er muss sich bewusst sein, dass er sich noch während der Rotphase auf der Kreuzung befinden wird, was stets mit einem erheblichen Risiko für das Leben und die Gesundheit seiner Mitmenschen verbunden ist.

    Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

    Die Volltexte der Entscheide finden Sie auf der Website des Bundesgerichts:

    • Entscheide aus der amtlichen Sammlung finden Sie hier: Nach der Nummer des Entscheides suchen, die Sie bei unserer Zusammenfassung unter «Amtliche Sammlung» finden – z. B. 129 II 82.
    • Weitere Entscheide finden Sie hier: Nach der Prozessnummer suchen – z.B. 2A.249/2000.

    Die Volltextsuche kantonaler Entscheide finden Sie auf den kantonalen Websites.

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