Urteil vom: 6. März 2001
Prozessnummer: 6S.728/1999

Y, stolzer Besitzer eines neuen Holzkohlengrills, hatte seine Nachbarn zu einem Grillfest eingeladen. Unter den Gästen befand sich auch die Familie X mit dem dreijährigen Sohn A. Y hatte den Grill im Garten aufgestellt und goss eine Anzündflüssigkeit über die eingefüllte Holzkohle. Die Flasche mit der Flüssigkeit stellte er rund vier Meter vom Grill entfernt auf den Boden. Dann wartete er ein paar Minuten, um die Flüssigkeit einwirken zu lassen, und zündete an. Als die Kohle zu glühen begann und es keine offene Flamme mehr hatte, begab er sich in den Keller. In der Folge spritzte einer der anwesenden Erwachsenen nochmals Anzündflüssigkeit auf die Holzkohle, was zu einer explosionsartigen Stichflamme führte. Diese traf den kleinen A. Der Knabe erlitt schwere Verbrennungen und musste mehrere Wochen im Spital verbringen. Obwohl er nicht lebensgefährlich verletzt wurde, wird A lebenslang deutliche Narben im Gesicht, am Hals und an der rechten Hand haben.

Die Staatsanwaltschaft klagte den Grilleigentümer Y wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinn von Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB (Strafgesetzbuch, Fassung bis Ende 2006) an. Die kantonale Justiz sprach Y von diesem Vorwurf frei und befand, ihm könne kein Verschulden nachgewiesen werden. Die dagegen von der Familie X erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht ab. Es schützte den Freispruch aus folgenden Gründen:

Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung setzt voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Das Entfachen einer Glut zum Grillieren ist nicht verboten. Der Betreiber eines Grills muss aber grundsätzlich dafür sorgen, dass die Sicherheit von Personen und Sachen gewährleistet ist. Ein Grill enthalte zwar ein gewisses Gefährdungspotenzial, räumte das Bundesgericht ein. An den Betreiber dürften jedoch für diese nicht ganz ungefährliche, aber generell übliche Tätigkeit nicht überspannte Anforderungen gestellt werden. Sorgfaltswidrig sei nur die Überschreitung des erlaubten Risikos, d. h., wenn die Grenze der in der konkreten Situation gebotenen Sorgfalt überschritten werde.

Im konkreten Fall bedeutend war, dass Y die Vorbereitungen für das spätere Grillieren bereits beendet hatte. Da es keine offene Flamme mehr gegeben und die Kohle zu glühen begonnen hatte, war der Grill fachgerecht in Betrieb genommen worden. Deshalb durfte Y, auch weil sich in der Nähe des Grills erwachsene Gäste befanden, den Grillplatz verlassen, ohne jemandem Instruktionen erteilen zu müssen. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht würden zu hoch gesteckt, wenn der Betreiber eines Grills sich ununterbrochen daneben aufhalten müsste, bestätigte das Bundesgericht die Auffassung der Vorinstanz.

Y hatte weder dadurch, dass er sich ohne vorgängige besondere Instruktion einer erwachsenen Person gegenüber in den Keller begeben hatte, noch darin, dass er die Anzündflüssigkeit unbeaufsichtigt etwa vier Meter neben dem Grill stehen liess, eine Sorgfaltspflicht verletzt. Da Erwachsene um den Grill herumstanden, durfte er davon ausgehen, dass die spielenden Kinder nicht daran hantieren würden. Zudem musste Y, weil er den Grill erfolgreich in Betrieb gesetzt hatte, weder damit rechnen noch voraussehen, dass jemand Anzündflüssigkeit auf die glühende Kohle schütten würde.

Y habe die erforderliche Sorgfalt aufgewendet und sei daher nicht strafbar, kam das Bundesgericht zum Schluss. Denn mehr als sorgfältiges Verhalten werde bei generell üblichen, wenn auch nicht ungefährlichen Unternehmungen nicht verlangt.

(Prozess-Nr. des Bundesgerichts 6S.728/1999)

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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