Urteil vom: 6. Februar 2008
Prozessnummer: 6B_377/2007

Sachverhalt
W prallte am 4.10.2002 innerorts um ca. 18.00 Uhr mit der linken Front ihres Personenwagens in die 79-jährige Fussgängerin V, welche den Fussgängerstreifen aus der Sicht der Autofahrerin von links nach rechts überquerte. V erlitt Verletzungen, die einen zweimonatigen Spitalaufenthalt erforderten.

Prozessgeschichte
W wurde deswegen wegen einfacher Verkehrsregelverletzung (nicht angepasste Geschwindigkeit und Verletzung des Vortrittsrechts einer Fussgängerin auf dem Fussgängerstreifen) mit Fr. 1000. – gebüsst. Die Staatsanwaltschaft gelangte ans Bundesgericht. Das Bundesgericht hiess diese Beschwerde gut, hob den Entscheid der Vorinstanz auf und wies diese an, einen Schuldspruch wegen schwerer Verkehrsregelverletzung zu fällen und das angemessene Strafmass festzulegen.

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichtsbr
Als die Fussgängerin V 4,4 m vom linken Fahrbahnrand entfernt war, wurde sie von der linken Vorderseite des Personenwagens von W angefahren. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs betrug ca. 50 km/h. Die Sichtverhältnisse waren zu diesem Zeitpunkt gut. In Fahrtrichtung von W war der linke Fahrbahnrand beim Fussgängerstreifen aus einer Distanz von 113m sichtbar bzw. der Fussgängerstreifen aus 85m Entfernung über die ganze Länge überschaubar. Der Fussgängerstreifen war ordnungsgemäss signalisiert. Die Strasse war im fraglichen Zeitpunkt nass; sie weist vor der Unfallstelle eine Neigung von 6% auf.

Gemäss Bundesgericht hätte W ihre Geschwindigkeit von 50 km/h bereits grundsätzlich mässigen müssen, da sich die nasse Strasse auf das Bremsverhalten des Fahrzeugs negativ auswirke. W habe habe die Fussgängerin erst dreissig Meter von dem Fussgängerstreifen zum ersten Mal bemerkt, als diese sich bereits auf dem Streifen befand. Dies bedeutet nach Meinung des Bundesgerichts nichts anderes, als dass sie bis zu diesem Zeitpunkt und damit während längerer Zeit ihre Pflicht, allfälligen Fussgängern erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, völlig vernachlässigt habe. Angesichts der kleinen Körpergrösse (maximal 160 cm) und der gesenkten Kopfhaltung hätte W erkennen können und müssen, dass es sich bei der Fussgängerin um eine alte Person handelte. Auch daher sei W ihr gegenüber zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen. Als Folge dieser Pflicht blieb ihr eine Berufung auf das Vertrauensprinzip im Sinne von Art. 26 SVG (Strassenverkehrsgesetz) verwehrt, selbst wenn keine konkreten Anzeichen vorlagen, dass sich die alte Person unkorrekt verhalten werde.

W sei damit angesichts der nicht günstigen Strassenverhältnisse zu schnell unterwegs gewesen. Ausserdem habe sie ihre – gegenüber alten Personen – erhöhte Vorsichtspflicht gleich doppelt verletzt (Art. 33 Abs. 2 und Art. 26 Abs. 2 SVG), indem sie trotz guter Sicht und guter Einsehbarkeit der Örtlichkeit während längerer Zeit der alten Fussgängerin keine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Damit habe sie elementare Sorgfaltsregeln missachtet und die Fussgängerin in hohem Masse gefährdet, weshalb dieses Zusammenspiel mehrerer Fehlverhalten als rücksichtslos und damit als grob verkehrsregelwidrig eingestuft werden könne. Denn gerade das Verkennen sich aufdrängender Risiken könne Ausdruck besonderer Gleichgültigkeit oder Rücksichtslosigkeit sein.

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

Die Volltexte der Entscheide finden Sie auf der Website des Bundesgerichts:

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