Urteil vom: 1. Oktober 2005
Prozessnummer: 6P.86/2005 vereinigt mit 6S.252/2005

X fuhr im Sommer 2002 auf der Autobahn. Dabei schloss er zwei Mal sehr nahe zum Personenwagen von A auf, um diesen zum Wechseln der Fahrspur zu bewegen. X folgte A über mehrere Kilometer in geringem Abstand und zwang ihn schliesslich auf einer Überlandstrasse zum Anhalten. X stieg aus seinem Wagen, lief wutentbrannt auf den noch im Auto sitzenden A zu und drohte: „Ich schlag dir die Fresse ein!“

Wegen dieses Vorfalls wurde X in erster Instanz unter anderem der mehrfachen groben Verkehrsregelverletzung (durch mangelndes Abstandhalten beim Hintereinanderfahren) sowie der Drohung schuldig gesprochen. Er wurde zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe, bedingt vollziehbar, und zu einer Busse von Fr. 1'000.- verurteilt. Das Obergericht bestätigte den Schuldspruch und minderte die Strafe. Es verurteilte X zu einer bedingt vollziehbaren sechswöchigen Gefängnisstrafe und verzichtete auf eine Busse. X gelangte dennoch ans Bundesgericht, das die Beschwerde abwies:

Entgegen der Ansicht von X hatte das Obergericht weder das Willkürverbot noch die Unschuldsvermutung verletzt. Es durfte von einer zweimaligen bedrängenden Verfolgung ausgehen, da die Aussagen von A im Kern übereinstimmten. X hatte behauptet, einen Abstand von 4 bis 5 Wagenlängen (von je 5 Metern) zum vorangehenden Fahrzeug eingehalten zu haben. A zufolge war das Auto des Verfolgers lediglich einen halben Meter hinter ihm gewesen. Das Obergericht stellte diesbezüglich weder auf die Angaben von X noch von A ab, sondern ging in Würdigung aller Umstände von einem Abstand von „wenigen, maximal aber 10 Metern“ aus. Diese Annahme der Vorinstanz sei nicht zu beanstanden, so das Bundesgericht, ebenso wenig der Schuldspruch wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln.

Nach Art. 34 Abs. 4 SVG (Strassenverkehrsgesetz) ist gegenüber allen Strassenbenützern ein ausreichender Abstand zu wahren, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Neben- und Hintereinanderfahren. Art. 12 Abs. 1 VRV (Verkehrsregelnverordnung) präzisiert, dass Lenker beim Hintereinanderfahren einen ausreichenden Abstand zu wahren haben, so dass sie auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig halten können. Den Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG erfüllt, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Nach der Rechtsprechung gilt ein Abstand von 10 Metern bei einem Tempo von mehr als 100 km/h in jedem Fall als zu gering und begründet eine erhöhte abstrakte Gefahr (BGE 131 IV 133). Bei dieser Geschwindigkeit werden rund 30 Meter pro Sekunde zurückgelegt. Bei plötzlichem Abbremsen würde der nachfolgende Fahrer – selbst wenn er schnell, innert einer halben Sekunde, reagieren würde – noch ungebremst mit dem vorderen Fahrzeug kollidieren. Folglich konnte X nicht bestreiten, eine grobe Verkehrsregelverletzung begangen zu haben.

Im Übrigen hatte das Obergericht das Verhalten (bzw. den „gezielten Terror“) von X, nachdem er A zum Anhalten genötigt hatte, zu Recht als Drohung qualifiziert. Das Bundesgericht bestätigte auch diesen Schuldspruch und wies die Beschwerden von X vollumfänglich ab.

(Prozess-Nr. des Bundesgerichts 6P.86/2005 vereinigt mit 6S.252/2005)

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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