Urteil vom: 19. September 2018
Prozessnummer: 6B_1294/2017

Sachverhalt
Der Fussgänger A wollte die Fahrbahn rund 6,5 Meter vor dem Fussgängerstreifen überqueren. Er hörte Musik und hatte seine Aufmerksamkeit nicht voll dem Verkehr gewidmet. Die Witterungs- und Sichtverhältnisse waren schlecht, es war dunkel und der Fussgänger war dunkel gekleidet; nur dessen hellgrau-weisser Rucksack war sichtbar, da sich A mit dem Rücken zum Autolenker B auf dem Trottoir fortbewegte, bevor er unvermittelt auf die Fahrbahn trat. Es kam zur Kollision. Für B, der vor Kollision mit dem Fussgänger mit 35 bis 40 km/h fuhr, gab es keine Anzeichen, dass sich der erwachsene Fussgänger falsch verhalten würde. A erlitt ein Schädelhirntrauma, eine Ellenbogen- sowie eine Oberschenkelkontusion.

Prozessgeschichte
Der Autolenker B wurde erstinstanzlich wegen Nichtgewährens des Vortritts mit einem PW gegenüber einem Fussgänger auf dem Fussgängerstreifen zu einer Busse von Fr. 600.- verurteilt. Auf Einsprache hin wurde B wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs infolge mangelnder Aufmerksamkeit zu einer Busse von Fr. 200.- verurteilt. Die dagegen erhobene Berufung von B und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft wies das Kantonsgericht ab. B gelangte daraufhin ans Bundesgericht und erreichte einen Freispruch.

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts

  • Nach Auffassung des Bundesgerichts hat der Autolenker B seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt. Er fuhr mit einer an die schlechten Witterungs- und Sichtverhältnisse angepassten Geschwindigkeit. Dabei bestanden keinerlei Anzeichen, dass sich der erwachsene Fussgänger falsch verhalten würde. Zwischen dem überraschenden Betreten der Fahrbahn und der Kollision verstrichen lediglich 0,8 Sekunden, was nicht einmal der durchschnittlichen Reaktionszeit von einer Sekunde entspricht.
  • Weshalb der Autolenker früher hätte reagieren sollen, sei nicht ersichtlich. Das blosse Vorhandensein von erwachsenen Fussgängern auf dem Trottoir erfordert kein Bremsmanöver. Selbst wenn der Autolenker den Fussgänger erblickt hätte, hätte er im zu beurteilenden Fall keinen Grund für ein präventives Bremsmanöver gehabt, weil es keinerlei Anzeichen für das bevorstehende Fehlverhalten des Fussgängers gab.
  • Ursache des Verkehrsunfalls sei das unvorhersehbare, überraschende Verhalten des Fussgängers. Der Autolenker B könne sich auf den Vertrauensgrundsatz gemäss Art. 26 Strassenverkehrsgesetz (SVG) berufen.

    Link auf den Volltext des Urteils hier.

    Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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