Urteil vom: 1. Juni 2016
Prozessnummer: 6B_165/2015
Amtliche Sammlung: BGE 142 IV 137

Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Sinne von Art. 90 Abs. 4 lit. a-d SVG besteht gestützt auf die Auslegung von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG keine unwiderlegbare Gesetzesvermutung, dass die subjektiven Voraussetzungen von Art. 90 Abs. 3 SVG erfüllt sind (Änderung der Rechtsprechung; E. 11.1). Derjenige, der eine Geschwindigkeitsüberschreitung nach Art. 90 Abs. 4 SVG begeht, begeht objektiv eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG. Er erfüllt grundsätzlich die subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands. Dem Richter kommt ein wenn auch begrenzter Handlungsspielraum zu, um unter besonderen Umständen die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen zu verneinen (E. 11.2).

Dies bedeutet, dass der Strafrichter in den Fällen von massiven Tempoexzessen das Vorliegen von Vorsatz im Einzelfall zu prüfen und nachzuweisen hat. Dies folgert das Bundesgericht aus der Entstehungsgeschichte des Raserartikels, aus der Systematik des Artikels und aus der im Rahmen der sog. teleologischen Auslegung relevanten Beachtung strafrechtlicher Grundprinzipien.

Im vorliegenden Fall kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung nicht gegen Bundesrecht verstösst. Es liegen keine besonderen Umstände vor, welche die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands ausschliessen würden (E. 12). Im konkreten Fall, der Anlass zur Praxisänderung gab, hatte der betreffende Autolenker geltend gemacht, er habe die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht gesehen und sei deshalb zu schnell gefahren (um mehr als das Doppelte). Das Bundesgericht erachtet den Tatbestand als erfüllt. Die bedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr haben die Richter bestätigt.

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