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«Die Menschen wollen wissen, wie gefährlich etwas ist»

Die Welt wird diverser, digitaler und dichter. Diese Entwicklung wirkt sich auf die Unfallprävention aus. Wie die BFU darauf reagiert und wie sie ihre Rolle in der Unfallprävention stärken will, erklärt Direktor Stefan Siegrist im Interview.

Die BFU macht seit über 80 Jahren Unfallprävention: Welche Herausforderungen zeichnen sich für die Zukunft ab?

Die Welt wird diverser, digitaler und dichter. Das hat Auswirkungen auf die Unfallprävention. Nehmen wir den Sport: Die Unfallzahlen sinken nicht, weil die Menschen heute mehr Zeit für Sport haben und oftmals gleich in mehreren Sportarten aktiv sind. Im Strassenverkehr hat die Technik längst Einzug gehalten. Alle sprechen vom selbstfahrenden Auto und davon, dass es bald keine Unfälle mehr gibt auf der Strasse.

 

Das tönt doch gut, oder?

Sicher, aber die Erwartungen an das selbstfahrende Auto sind viel zu hoch. Durch die fortgeschrittene Technik ist eine Kontrollillusion entstanden. Der Mensch wird noch lange der entscheidende Faktor im Auto sein. Er wird weniger als Fahrer denn als Überwacher gefragt sein – eine anspruchsvolle und auch fehleranfällige Aufgabe. Zudem drängen neue Verkehrsmittel wie das E-Trottinett und ähnliche elektrische, fahrzeugähnliche Geräte auf die Strassen. Dies ist für die Unfallprävention eine grosse Herausforderung. Ich bin aber guter Dinge, dass wir dies meistern werden.

 

Sie haben es angesprochen, im Sport nehmen die Unfälle nicht ab.

Ja, weil die Menschen immer mehr Sport treiben. Somit ist ein Status quo der heutigen Unfallzahlen bereits ein Erfolg. Trotzdem: Die Zahl der schwerwiegenden und tödlichen Verletzungen kann und muss reduziert werden. Ich denke dabei neben der Verhaltensprävention auch an die Verbesserung von Betrieb und Infrastruktur.

 

Was bedeutet dies konkret?

Wer zum Beispiel Ski fahren geht, muss sich darauf verlassen können, dass er über Risiken richtig informiert wird. Und selbstverständlich muss die Piste sicher sein. Es dürfen sich keine ungesicherten Pfosten oder überraschende Senken darauf befinden.

 

Auch zu Hause und im Garten gibt es weiterhin viele Unfälle.

Stimmt. Das hängt unter anderem mit dem demografischen Wandel zusammen. Wir werden heute erfreulicherweise immer älter. Das führt aber zu neuen Herausforderungen. Ältere Menschen sind verletzlicher, gerade bei einem Sturz zeigt sich dies deutlich. Deshalb müssen wir auch hier noch stärker auf Verhältnisprävention setzen. So ist zum Beispiel in der Architektur das Bewusstsein für die Unfallverhütung weiter zu stärken. Wichtig ist auch die Produktesicherheit. Wer eine elektrische Säge bedient, will nicht wegen eines Produktionsfehlers einen Finger verlieren. Entscheidend ist zudem, dass wir mit unseren Empfehlungen dort sind, wo die Menschen sind – ich denke dabei zum Beispiel an Schulen, Unternehmen und Gemeinden.

 

Welche Rolle nimmt die BFU dabei ein?

Es ist wichtig, dass wir ein realistisches Bild des Unfallrisikos vermitteln, also nicht übertreiben, aber auch nicht schönreden. Die Menschen wollen wissen, wie gefährlich etwas ist und wie sie ihre Sicherheit erhöhen können. Wir formulieren dazu eine fundierte und von wirtschaftlichen und politischen Interessen freie Expertenmeinung.

 

Die BFU steht heute gut da: Worauf kann die BFU bauen?

Wir haben eine hohe Qualität und einen enormen Bekanntheitsgrad. Wir haben gesicherte Mittel und hochqualifizierte Mitarbeitende. Dies ist das A und O für erfolgreiche Unfallprävention. Es ist aber wichtig, dass uns die gesicherten Mittel nicht bequem werden lassen. Gleichzeitig haben wir gute Kontakte zu Politik, Behörden, Gemeinden und Verbänden. Auch sind wir stark in der Öffentlichkeitsarbeit und für die Medien relevant.

 

Wie wollen Sie von dieser guten Ausgangslage profitieren und die BFU weiter voranbringen?

In allen Bereichen – nicht nur im Strassenverkehr – soll und kann das Risiko für einzelne Tätigkeiten reduziert werden. Das ist ohne einschneidende regulative Massnahmen möglich; im Vordergrund steht die Umsetzung bestehender, wirkungsvoller Massnahmen. Dafür wird sich die BFU weiter einsetzen. Dies nicht immer an vorderster Front, sondern oft auch im pränormativen Bereich. Das heisst, wir wollen mitreden, wenn zum Beispiel Normen entstehen, damit der Sicherheitsaspekt von Anfang an einfliesst. Die BFU hat das Rüstzeug dazu, umfassende Analysen zu liefern und den Weg für die Verhütung von unfallbedingten schweren Verletzungen aufzuzeigen – im Strassenverkehr, im Sport und im Bereich Haus und Freizeit. 

 

Und wie reagiert die BFU auf die neuen Herausforderungen?

Forschung und Umsetzung sollen noch näher zusammenrücken und wir müssen mehr Zeit für aktuelle Fragen freihalten. Dazu gehört auch der Mut, Empfehlungen schneller und auf dem aktuellen Stand der Forschung zu geben. Denn sonst tut es jemand anderes. Die fachliche Autorität der BFU muss weiter gestärkt werden. Was die BFU macht, ist durchdacht, umsetzbar und dadurch in der Öffentlichkeit unbestritten.

Seit Anfang 2019 ist Dr. Stefan Siegrist Direktor der BFU. Er leitete seit 1988 verschiedene Forschungs- und Beratungsabteilungen der BFU. 2003 wurde Siegrist in die Geschäftsleitung gewählt, ab 2008 war er stellvertretender Direktor. Der promovierte Psychologe präsidierte ausserdem bis Ende 2018 den Expertenrat des Fonds für Verkehrssicherheit FVS. Auch international vertritt er die Schweiz in mehreren Verkehrssicherheitsgremien und Arbeitsgruppen. Stefan Siegrist ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Töchtern.

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