Führerausweis auf Probe: Härtefallklausel statt genereller Abschwächung
Ad Art. 15a Abs. 3
Um überharte und unverhältnismässige Sanktionen im Einzelfall zu verhindern, ist die Einführung einer Härtefallklausel der angedachten, generellen Abschwächung der Sanktionsandrohung vorzuziehen.
- Fahren unter Alkoholeinfluss und zu hohe Geschwindigkeiten führen zu einer erheblichen Gefährdung Dritter – auch wenn es sich rechtlich «nur» um leichte Widerhandlungen im Sinne des SVG handelt. Aus diesem Grund sind die aktuell geltenden Sanktionsandrohungen beizubehalten.
- Dass sie die erhoffte präventive Wirkung entfalten, wurde 2012 in einer umfassenden Evaluation nachgewiesen. Neulenkende beurteilen die geltenden Sanktionen als genügend abschreckend und ihr Eintreten als genügend wahrscheinlich. Mit der vorgeschlagenen Lockerung drohen die positiven, generalpräventiven Effekte der aktuellen Regelung neutralisiert zu werden. Neulenkerinnen und Neulenker werden die vorgeschlagene neue Regelung als deutlich weniger einschneidend empfinden – was sich negativ auf ihr Verkehrsverhalten auswirken dürfte.
Ad Art. 15a Abs. 4
Die BFU ist wie der Bundesrat der Meinung, dass die Reihenfolge der Widerhandlungen keine Rolle für den Verfall des Führerausweises auf Probe spielen darf und stimmt diesem Anpassungsvorschlag deshalb teilweise zu.
- Der Führerausweis auf Probe sollte mit der zweiten, mindestens mittelschweren Widerhandlung während der Probezeit verfallen. Dieselbe Rechtsfolge sollte jedoch auch dann eintreten, wenn wiederholte leichte Widerhandlungen schon zum Entzug des Ausweises und zur Verlängerung der Probezeit geführt haben.
Mindestdauer des Ausweisentzugs bei Raserinnen und Rasern nicht kürzen
Art. 16c Abs. 2 Bst. abis
Die Debatte über die Sanktionierung von Raserinnen und Rasern geht aus Sicht der BFU in die falsche Richtung.
- Nachvollziehbar ist, dass Vollzugsbehörden und Gerichte bei Raserdelikten – wie in der Botschaft vorgeschlagen – mehr Ermessensspielraum erhalten, um die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und unnötige Härten zu vermeiden.
- Für die Verkehrssicherheit problematisch ist allerdings die vorgeschlagene Reduktion der Mindestdauer des Führerausweisentzugs. Untersuchungen belegen: Gerade bei Raserinnen und Rasern, die oft eine hohe Autoaffinität aufweisen, stellt der Ausweisentzug ein hochwirksames Mittel dar, um die von ihnen ausgehende Fremdgefährdung durch unfallträchtige Fahrmanöver zu reduzieren.
- Bei den zur Diskussion stehenden Delikten handelt es sich um keine Bagatellen. Denn kein Fahrzeuglenker, keine Fahrzeuglenkerin fährt in einer Tempo-30-Zone versehentlich mit 70 km/h. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einer Kollision getötet zu werden, für Fussgängerinnen und Fussgänger mit jedem zusätzlichen Stundenkilometer steigt. Bei einer Kollisionsgeschwindigkeit von 50 km/h ist das Risiko, getötet zu werden, rund sechsmal höher als bei 30 km/h.
Der Bundesrat schlägt vor, die Mindestdauer des Führerausweisentzugs von 24 auf 12 Monate zu reduzieren. Die BFU spricht sich dagegen aus. Aus Sicht der Unfallprävention wäre es fatal, wenn ausgerechnet die Hochrisikogruppe der Raserinnen und Raser geschont wird. In ihrer Vernehmlassungsantwort zur SVG-Revision hat die BFU vorgeschlagen, den entsprechenden Artikel grundlegend anzupassen.
Streichung der obligatorischen Nachschulung: verpasste Chance für weniger Unfälle
Art. 16e
Bereits 2012 beschloss das Parlament die Einführung der obligatorischen Nachschulung für Personen, deren Führerausweis für mindestens sechs Monate entzogen wird. Bis heute wurde diese Massnahme nicht in Kraft gesetzt, nun steht sogar eine Streichung dieses Artikels zur Diskussion. Dabei sprechen aus Sicht der BFU wichtige Gründe dafür, die obligatorische Nachschulung mit der SVG-Revision einzuführen.
- Die hohe Wirksamkeit von obligatorischen Nachschulungskursen konnte im Ausland, z. B. in Österreich, nachgewiesen werden. Verkehrsdelinquentinnen und Verkehrsdelinquenten erhalten dabei die Chance, persönliche Lösungen und Strategien zu erarbeiten, um zukünftig sicher und regelkonform zu fahren. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Nachschulungskurse die Rückfallquoten senken, sofern die Kurse bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen.
- Die obligatorische Nachschulung ist in der Schweiz umsetzbar: Es gibt genügend Kursleitende, die Kurse funktionieren auch bei kurzer Entzugsdauer und sie sind auch bei einer Pflichtteilnahme wirksam.
- Der administrative Aufwand für die Strassenverkehrsämter ist bewältigbar. Zudem gehen die Kosten zulasten der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer. Dass die Verkehrsdelinquentinnen und Verkehrsdelinquenten für die Teilnahme an einer Nachschulung u. U. Wartezeiten auf einen freien Kursplatz in Kauf nehmen, aus einer abgelegenen Region in ein städtisches Zentrum reisen und die damit verbundenen Kostenfolgen tragen müssen, ist aus Sicht der BFU zumutbar. Die obligatorische Kursteilnahme ist die Konsequenz eines schweren verkehrswidrigen Verhaltens, bei dem möglicherweise andere Verkehrsteilnehmende gefährdet oder geschädigt wurden.
Fast zehn Jahre sind vergangen, seit das Parlament der Einführung der obligatorischen Nachschulung in der Schweiz zugestimmt hat. Die BFU fordert das Parlament deshalb auf, diese wichtige Massnahme nun zeitnah umzusetzen – und Art. 16e keinen Fall zu streichen.
Falsches Signal: Rückgriffsrecht statt Rückgriffspflicht
Art. 65 Abs. 3
Gleichzeitig will der Bundesrat im Rahmen der SVG-Revision die Rückgriffspflicht der Versicherer bei Schäden, die durch Fahren in fahrunfähigem Zustand oder Rasen verursacht wurden, in ein Rückgriffsrecht umwandeln.
- Dieser Schritt wäre ein falsches Signal für die Verkehrsdelinquentinnen und Verkehrsdelinquenten. Überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen sind nach wie vor zentrale Risikofaktoren im Strassenverkehr, denen es gezielt entgegenzuwirken gilt.
- Die finanzielle Sanktionierung kann das künftige Fahrverhalten beeinflussen. Wenn Lenkenden bewusst ist, dass die Versicherung bei mindestens grobfahrlässigen Verkehrsdelikten Rückgriff nehmen muss, fahren sie vorsichtiger.
- Die BFU spricht sich daher klar dagegen aus, dass die heutige Rückgriffspflicht der Haftpflichtversicherer in ein blosses Rückgriffsrecht umgewandelt wird. Wer bei einem Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden nicht mit finanziellen Konsequenzen rechnen muss, verhält sich im Strassenverkehr unter Umständen noch riskanter und gleichgültiger.
Unbestritten ist, dass die heutige Fassung von Art. 65 Abs. 3 SVG verschiedene Ungereimtheiten aufweist, die ausgemerzt werden müssen. Der vom Bundesrat bei der Einführung dieses Artikels angestrebte Zweck ist aber nach wie vor gerechtfertigt. Es wäre ein Rückschritt für die Verkehrssicherheit, wenn nun ausgerechnet eine wirksame Massnahme abschwächt wird, die auf Verkehrsdelinquentinnen und Verkehrsdelinquenten abzielt. Die BFU empfiehlt deshalb, auf diesen Schritt zu verzichten und Art. 65 Abs. 3 SVG stattdessen praxistauglich zu revidieren.
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