Urteil vom: 18. April 2017
Prozessnummer: 1C_508/2016

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts

  • Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, so wird diese nach Art. 15d Abs. 1 lit. a SVG namentlich einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen bei Fahren in angetrunkenem Zustand mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Gewichtspromille oder mehr oder mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg Alkohol oder mehr pro Liter Atemluft.

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Fahreignungsabklärung unter anderem auch dann angezeigt, wenn eine Person innerhalb von zehn Jahren drei Mal in angetrunkenem Zustand ein Fahrzeug gelenkt hat (Urteil des Bundesgerichts 1C_768/2013 vom 10. März 2014 E. 3.1 mit Hinweis). Überdies ist der Führerausweis nach Art. 30 VZV im Prinzip umgehend vorsorglich zu entziehen, wenn eine verkehrsmedizinische Abklärung angeordnet wird (vgl. BGE 125 II 396 E. 3 S. 401; Urteile des Bundesgerichts 1C_70/2014 vom 27. Mai 2014 E. 2.2 und 1C_748/2013 vom 16. Januar 2014 E. 3.3 mit Hinweisen). Diesfalls steht die Fahreignung des Betroffenen ernsthaft in Frage, weshalb es unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit grundsätzlich nicht zu verantworten ist, ihm den Führerausweis bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses zu belassen.
  • Der automobilistische Leumund der Beschwerdeführerin ist getrübt, was sie auch selbst gar nicht ernsthaft bestreitet. Innerhalb von fünf Jahren und vier Monaten unternahm sie vier Trunkenheitsfahrten (August 2008, Dezember 2009, August 2010 und Dezember 2013). Im Anschluss an die beiden ersten Fälle wurde ihr der Führerausweis jeweils für eine beschränkte Zeit entzogen. Nach der dritten Trunkenheitsfahrt wurde er ihr auf unbestimmte Zeit entzogen. Im August 2012 hob das Strassenverkehrsamt die Massnahme auf und ersetzte sie durch die Auflage einer Alkoholabstinenz sowie einer verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung. Im Mai 2013 hob sie schliesslich die Auflage der Alkoholfahrabstinenz auf. Rund ein halbes Jahr später unternahm die Beschwerdeführerin die vierte Trunkenheitsfahrt. Gemäss dem entsprechenden Polizeirapport vom 4. Januar 2014 lenkte sie am 6. Dezember 2013 um 03.00 Uhr einen Personenwagen in angetrunkenem Zustand auf der Tunnelstrasse (Ulmbergtunnel) in Zürich, wobei der Atemlufttest eine Alkoholkonzentration von 0,69 Promille ergab.
  • Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach eine Fahreignungsabklärung bei dreimaligem Fahren in angetrunkenem Zustand innerhalb von zehn Jahren angezeigt ist, mit vier Trunkenheitsfahren innerhalb von etwas mehr als fünf Jahren deutlich. Bei der letzten Trunkenheitsfahrt übersteigt der gemessene Konzentrationswert den zulässigen Grenzwert von 0,5 Promille zwar nur geringfügig und auch die früheren Verfehlungen hielten sich, mit immerhin einer Ausnahme, einigermassen im Rahmen. Das ist aber nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr die Entwicklung bzw. der Verlauf der Ereignisse. Innerhalb von wenig mehr als fünf Jahren wurde die Beschwerdeführerin bereits zum vierten Mal des Fahrens in angetrunkenem Zustand überführt. Dazu macht sie sinngemäss geltend, dieses letzte vierte Mal müsse als eine Art Ausreisser betrachtet werden, denn in der Zwischenzeit habe sie sich einer Verkehrstherapie unterzogen, sich dabei vertieft mit der Problematik des Alkohols am Steuer auseinander gesetzt und ihre Einstellung geändert. Das habe auch zum für sie positiven verkehrspsychologischen Gutachten vom 23. Juli 2012 geführt, in dem ihr ausdrücklich ein feststellbarer Reflexions- und Einstellungsprozess attestiert werde, was zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis geführt habe. Die gute Absicht mag der Beschwerdeführerin nicht abzusprechen sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass sie bereits nach kurzer Zeit wieder rückfällig geworden ist. Auch dass sie sich, wie sie geltend macht, auf eine Smartphone-Applikation verlassen haben will, die ihr einen Alkoholkonzentrationswert von knapp 0,4 Promille ausgewiesen habe, mag sie nicht zu entlasten. Ob die Verkehrstherapie erfolglos, nicht nachhaltig oder doch noch nicht abgeschlossen war oder ob der Rückfall auf einer anderen Ursache beruhte, wird unter Umständen im Rahmen der angeordneten verkehrsmedizinischen Abklärung von Belang werden. Jedenfalls schliesst der neue Vorfall ohne wesentliche Zäsur an die früheren Verfehlungen an. Daran ändert auch die Behauptung der Beschwerdeführerin nichts, zwischendurch totalabstinent gewesen zu sein. Selbst wenn dies zuträfe, würde das einen möglichen Rückfall beim Alkoholkonsum und die Möglichkeit einer gewissen, nicht unbedingt permanenten, sondern eventuell von weiteren Umständen abhängigen, im Ergebnis aber doch massgeblichen Alkoholabhängigkeit nicht ausschliessen. Es ist gerade der Sinn der angeordneten verkehrsmedizinischen Abklärung, hier Klarheit zu schaffen. Auch die beiden früheren verkehrsmedizinischen Gutachten aus den Jahren 2011 und 2012 vermögen zur heutigen Situation nur bedingt und nicht abschliessend Aufschluss zu geben.

    Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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    • Weitere Entscheide finden Sie hier: Nach der Prozessnummer suchen – z.B. 2A.249/2000.

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