Urteil vom: 24. Oktober 2007
Prozessnummer: 6B_298/2007
Amtliche Sammlung: 134 IV 26

Y wurde im Oktober 2000 während einer Meisterschaftspartie der Nationalliga A von X, einem Spieler der gegnerischen Mannschaft, grob gefoult. X checkte Y, nachdem dieser in Puckbesitz und eine günstige Torschussposition gelangt war, 0,38 Sekunden nach der Schussabgabe von hinten mit dem Ellbogen in den Rücken. Dadurch fiel Y vornüber und schlug mit dem Kopf auf dem Eis auf. X wurde deswegen vom Schiedsrichter für die gesamte Spieldauer des Feldes verwiesen. Die bei diesem Foul erlittenen gesundheitlichen Schäden bedeuteten das Ende der Profi-Karriere von Y. X seinerseits wurde im verbandsinternen Disziplinarmassnahmeverfahren für die nächsten acht Meisterschaftsspiele gesperrt und mit Fr. 3000.– gebüsst. Kantonal erstinstanzlich wurde er im September 2005 der eventualvorsätzlichen einfachen Körperverletzung sowie der fahrlässigen schweren Körperverletzung für schuldig befunden und mit drei Monaten Gefängnis bedingt bestraft. Vom kantonalen Obergericht wurde er im März 2007 vollumfänglich freigesprochen. Die Freisprüche seien bundesrechtswidrig, befand das Bundesgericht in Gutheissung der Beschwerde von Y und hob das Urteil der Vorinstanz auf:

Nach den verschiedenen Lehrmeinungen sollte bei körperkontaktbetonten Mannschaftssportarten im Falle von Fouls grundsätzlich auf strafrechtliche Ahndung verzichtet werden, wenn sich das sportartspezifische Grundrisiko verwirklicht hat. Zu diesem Grundrisiko gehören auch die «normalen» Fouls. Doch je krasser die Regeln verletzt werden, die dem körperlichen Schutz der Spieler dienen, desto weniger kann laut Bundesgericht von der Realisierung eines spieltypischen Risikos gesprochen werden und desto eher ist eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Spielers in Betracht zu ziehen.

Bei der Festlegung des zulässigen Verhaltens auf dem Eishockeyfeld und der zu respektierenden Sorgfaltspflichten sind nebst dem allgemeinen Grundsatz «neminem laedere» (niemandem schaden) insbesondere auch die Spielregeln des Internationalen Eishockeyverbands (IIHF) zu beachten. Diese dienen nicht nur dem geordneten Spielverlauf, sondern vor allem auch der Unfallverhütung und der Sicherheit der Spieler. Die vorinstanzliche Begründung des Freispruchs vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen schweren Körperverletzung sei widersprüchlich, hielt das Bundesgericht in Bezug zum vorliegenden Fall fest: X habe durch sein Foul die Verletzungen von Y verursacht. Dabei habe er unbestrittenermassen in grober Weise Eishockeyregeln verletzt, die zum Schutz der Spieler dienen. Auch die Vorinstanz sei zum Schluss gekommen, dass X damit den objektiven Tatbestand der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung erfüllt habe. Doch entgegen der Auffassung des Obergerichts habe er den Tatbestand auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Ein Eishockeyspieler müsse sich auf dem Eis immer so bewegen, dass er auf gefährliche Situationen reagieren und notfalls noch bremsen oder einem Gegenspieler ausweichen könne. X sei mit hohem Tempo auf einen Gegenspieler zugefahren um diesen zu checken. Er habe sich somit willentlich in eine Situation hineinmanövriert, in der er keine Brems- und Ausweichmöglichkeiten mehr gehabt und den regelwidrigen Check nicht mehr habe verhindern können. Damit habe er die Möglichkeit eines Checks von hinten und die daraus folgenden Verletzungen als mögliche, wenn auch unerwünschte Folgen in Kauf genommen (Eventualvorsatz).

Es stehe ausser Zweifel, dass X als professioneller Hockeyspieler die mit einem Bodycheck von hinten verbundenen Verletzungsrisiken gekannt habe, so das Bundesgericht. Die über die einfache Körperverletzung hinausgehenden Schädigungsfolgen seien für ihn voraussehbar und bei sorgfältigerem Vorgehen zweifellos auch vermeidbar gewesen. Folglich sei X auch zu Unrecht vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung freigesprochen worden.

(Urteil vom 24.10.2007; Prozess-Nr. des Bundesgerichts 6B_298/2007)

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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